Bibeln & Bangles - Amritsar
Eigentlich wollten wir ja nach unserem Wochenende in Dharamsala/McLeod Ganj wieder ein Erholungswochenende einschieben. Als sich jedoch 3/4 unserer Hausbewohner entschlossen nach Amritsar zu fahren, konnten wir (naja eigentlich nur ich, hehe) uns natuerlich nicht verweigern. Und so ging es am Freitag um 7.30 pm los in Richtung ISBT und um 8.45 pm sassen wir schliesslich im Bus nach Amritsar, Punjab.
Amritsar im Staat Punjab ist ca. 250km von Chandigarh entfernt, der Bus braucht dafuer ca. 5 bis 6 Stunden (kommt drauf an ob man tags oder nachts faehrt).
Die groesste Bedeutung hat die Stadt fuer die Sikhs, das sind die Maenner mit Turban die sich nicht die Haare schneiden duerfen und alle "Singh" (Maenner) bzw. "Kaur" (Frauen) mit Nachnamen heissen (Ben: ausserdem hat mal jemand behauptet, dass sie nicht ihre Unterwaesche wechseln duerfen, was allerdings heftigst bestritten wird). Wie sich der Sikhismus aus dem Hinduismus entwickelt hat ist eine recht interessante Geschichte, die ich vielleicht spaeter mal zum besten geben kann, hier moechte ich euch aber nicht damit langweilen (Ben: Und blutig ist sie, viele lose Koepfe und so).
Der goldene Tempel in Amritsar ist das groesste Heiligtum des Sikhismus und daher ist Amritsar auch Pilgerstaette Nummer eins fuer alle Sikhs. Abseits des goldenen Tempels ist die Stadt eine durchschnittliche indische Stadt, dreckig und laut und auch nicht besonders pittoresk. Der Tempel selbst allerdings ist sehr beeindruckend (Ben: Ich fand die Stadt eigentlich auch ganz angenehm. Sie ist zumindest nicht so gross wie Chandigarh und auch nicht so dreckig wie die Himalaya-Doerfer. Nur der Verkehr ist ein Kracher.).
Gegen 1:30am erreichten wir also den Busbahnhof in Amritsar. Von dort ging es direkt weiter quer durch die Stadt zum goldenen Tempel, denn wir wollten um 4 Uhr die Bibel-Zeremonie besuchen. Dabei wird jeden Morgen das heilige Buch der Sikhs, das auch Bibel genannt wird, in einem festlichen Umzug aus dem goldenen Tempel in einen klimatisierten Raum getragen, denn in Amritsar wird es ueber Tag sehr heiss (Ben: Wie schoen Hanna untertreiben kann). Am Abend gegen 10pm wiederholt sich die Prozedur, wenn das Buch zurueck in den Tempel getragen wird. Da wir aber nun einmal sowieso noch wach waren und am Abend geplant hatten zur pakistanischen Grenze zu fahren entschieden wir uns fuer die Morgenzeremonie (Ben: Mein Schlafbeduerfnis kann diese Logik immer noch nicht nachvollziehen).
Da man den Tempel nur mit Kopfbedeckung betreten darf, galt es natuerlich erstmal der einheimischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen und ein schmuckes Pionierhalstuch, das hier aber als Kopftuch mit Sikhzeichen und "Golden Tempel"-Print an Touristen verhoekert wird, zu beschaffen. Dank Vladans Handelkuensten bekamen wir das gute Stueck auch fuer nur 5 Rupees, damit kann man ja grad noch so leben (Ben: Zumal, da ich gerade krank bin, es mir wunderbar als Halstuch dient, und durchaus auch zum Ueberfallen eines Liquor-Shops missbraucht werden kann).
Da wir noch 2h Zeit hatten bis wir uns ins Innerste des Tempels aufmachen wollten, sahen wir uns zuerst nach einer Herberge um. Gluecklicherweise hat der Tempel direkt ein konstenloses (Spenden werden allerdings erwartet) Dormatory integriert, das ist mehr oder weniger eine Herberge mit kleinen Zimmern und minimalen sanitaeren Einrichtungen die allen Pilgern und Touristen offensteht. Ueberraschenderweise bot uns einer der Waechter in Punjabi Suit und mit Speer sogar einen Raum mit 2 Betten an, obwohl der gesamte Boden, saemtliche Gaenge, Treppen und Sitzplaetze mit schlafenden Menschen uebersaeht waren. Das war dann wohl mal wieder der Auslaenderbonus. So gab es erstmal ein paar Minuten Ausruhen, wenn man das so nennen kann, mit 7 Trainees auf 2 Betten.Ben: So, nun muss ich mal eingreifen.
Die Beschreibung dieses Raumes scheint mir irgendwie romantisch verklaert zu sein. Es wird wohl in der Nacht davor noch eine Gefaengniszelle gewesen zu sein, wenn ich den Gitterstaeben an den ¨Fenstern¨ nach folgern darf.
Und wenn ich mich noch an die Toiletten des Tempels erinnere, will die Gaensehaut nicht mehr weichen. So schlimm gestunken haben nur die Damentoiletten im Koblenzer Studentenwohnheim. Zudem konnte man den Damen beim Gang zur ihrer Toilette in aller Ruhe nachschauen. Das groesste Kunststueck allerdings bestand im Akt des
Um 3.30am machten wir uns dann auf in den Innenteil des Tempels, wo sich der sog. "tank of nectar", ein Wasserbasin mit heiligem Wasser, und der eigentliche Tempel befindet. Auch hier lagen ueberall Menschen verstreut: Frauen mit kleinen Kindern, eingewickelt in ihren Saree, Pilger in "Windelhosen" (sorry Manju, mir faellt das richtige Wort gerade nicht ein ;), und und und. Beeindruckend, denn auf dem Marmorboden ist schlafen wohl nicht so richtig bequem.
Schon um diese Zeit schob sich eine lange Schlange an Menschen ueber eine Bruecke in den Tempel, der wir uns anschlossen. Leider ist im Tempel Fotografieren verboten, aber ich kann eins sagen: WOW! Wahnsinnig filligrane Zeichnungen und Mosaike an den Decken und Waenden, auf den Boeden, den Saeulen, ueberall. Und ueberall Menschen, knieend, hockend, stehend, betend. Im grossen Mittelraum des Tempels sitzen Tag und Nacht 3 Saenger, die ununterbrochen die Verse aus der Sikhbibel singen und dazu auf Instrumenten spielen (Ben: Da wird einem ganz bluemerant). Die Namen der Instrumente weiss ich leider nicht, aber eins sah einer Zither recht aehnlich. Im Obergeschoss ist auf einem Turm aus Kissen die Bibel aufgebahrt, ein ca. 1m x 1m x 1m grosses Buch (Ben: Also etwa 1m³, was mit Wasser gefuellt exakt einer Tonne entspraeche...). Wenn man eine Vorstellung von 1000 und einer Nacht hat, dann ist es ganz bestimmt wie im goldenen Tempel. Jedenfalls war es fuer mich genau so wie ich mir es immer vorgestellt hatte (Ben: Ich fand es etwas klein, wenn ich mir die Fotografien anschaue, aber dort war auch der gesamte Tempelkomplex beleuchtet, nicht nur der kleine ¨Golden Temple¨).
Die Aussenwaende des Tempels sind uebrigens in der gleichen Technik wie der Taj Mahal verziert, mit lauter kleinen Marmorintarsien, vor allem Blumenmuster und Kampfszenen (Wie passt das eigentlich zusammen?).
Danach und nach einer Golden-Tempel-Nachfotoshooting-Orgie ging es dann wieder Richtung Dormatory, um noch ein paar Stunden Schlaf aufzuholen (Ben: Ich hab dann der kleinen Maus (nicht Hanna) gute Nacht gesagt, die es sich unter dem Bett bequem gemacht hatte, und schwang dann meine Hacken auf den Beistelltisch, da fuer mich nur noch Platz bis zum Poppes auf der Schlafgelegenheit war).
Am Nachmittag ging es dann zum zweiten Mal in den Tempel, diesmal zur Golden-Tempel-Tagshooting-Orgie und zum Besuch des Sikh-Museums, auf den ich aber auch gerne verzichtet haette. Wie sich herausstellte ist es naemlich eher fuer Anhaenger von Krieg und Toeten gedacht. Die Bilder sind alle sehr blutig und auf Fotos von blutenden, toten Sikhkriegern kann ich auch gerne verzichten. Igitt (Ben: Stimmt)!
Fuer den Nachmittag hatten wir eine Fahrt zur pakistanischen Grenze geplant. Die "Wagah Border" ist die einzige offene Grenzstelle zwischen Pakistan und Indien, jeder der aus dem einen ins andere Land will muss hier durch. Indien und Pakistan lassen es sich dabei nicht nehmen aus dem Schliessen der Grenze abends um 6 Uhr einen Staatsakt zu machen, dem im Durchschnitt bis zu 5000 Menschen auf beiden Seiten beiwohnen um ihre Landesfahne zu schwingen, "Hindustan" zu schreien und Faeuste zu schuetteln (Ben: Im Endeffekt gleicht es eher einer Kindergartenveranstaltung, bei der ich mich immer noch frage, wie erwachsene Menschen an so etwas Gefallen finden. Aber wir als anstaendige Touristen konnten uns schliesslich nicht verweigern.). Da mussten wir natuerlich hin... Extra fuer diese Zeremonie hat
man auf beiden Seiten grosse Zuschauerraenge errichtet, damit auch kein Inder oder Pakistani etwas verpassen kann.
Das ganze war fuer mich allerdings eher ein langweiliges und skuriles Schauspiel, zudem auch noch anstrenged, denn es war heiss und sehr stickig und irgendwann geht einem das "Hindustan, Hindustan!" auch gehoerig auf den Senkel.
Zum Glueck war nach 1h alles vorbei.Ben: Inklusive Puppenspiel (!) und kleinen Gehst-Du-nicht-hau-ich-Dich Spielchen der Grenzpolizisten. Nicht zu vergessen die lustige indische Musik Marke kaputte Schallplatte.
Den Sonntag verbrachten wir dann mit Shopping (Ben: Aaaaaaaaah). Christiane hatte mir eine Mitbringliste gegeben, so dass ich eine kleine Ausrede hatte nach Bangles zu schauen (Armreifen). Ein-, zweimal konnte ich dann auch nicht nein sagen und habe zugeschlagen. Allerdings nach harten Verhandlungen wie Ben bezeugen kann (Ben: Na teelicht)! Am naechsten Morgen haben meine Haende und Armgelenke geschmerzt vom ganzen Bangles anprobieren. Ein Wunder, dass meine Handgelenke nicht komplett blau waren (Ben: Nur etwas geblutet hat sie). Man muss dazu sagen dass indische Frauen ihre Armreifen geradezu ungehoerig eng tragen und ich habe absolut keine Ahnung wie sie die ueberhaupt ueber ihre Handwurzelknochen bekommen. Angeblich ist Creme das Geheimnis, aber selbst damit tut es
noch Hoelle weh. Naja es wird besser wenn man die richtige Technik erstmal raus hat, und wer schoen sein will muss halt leiden.
Wer hier aber glaubt Ben waere in Amritsar wegen der ganzen Bangles zu kurz gekommen, der irrt (Ben: Hab ich was verpasst?)! Wir haben nach dem Fruehstueck erstmal gute 2 Stunden in einem Instrumentenladen verbracht, Ben hat indische Gitarren ausprobiert, wir haben mit 2 Punjabis geplaudert, sie haben ein wenig gejammt und am Ende war Ben um 2000 Rupees (40 Euro) aermer aber um eine indische ¨Givson¨-Gitarre aus Kalkutta reicher (Ben: Ach ja, ich
erinnere mich vage.). Na endlich, das Gejammer konnte man ja auch nicht mehr hoeren. ;) Nein so schlimm war es nicht, aber man konnte doch eine erhebliche Stimmungssteigerung wahrnehmen.
Zum Abschluss unserer Shoppingorgie mussten natuerlich noch Schals her, denn angeblich bekommt man nirgends in Indien guenstigere Schals als in Amritsar. Dummerweise bestand der Verkaeufer darauf einen Fixed Price Shop zu besitzen. Nun ja, wer einmal in Indien war, der weiss dass es keine Fixed Price Shops gibt. Dank einer stattlichen Anzahl von 9 Schals konnten wir den guten Mann dann doch noch ueberzeugen, keinen Fixed Price Shop mehr zu besitzen. :)
Da wir noch 2h Zeit hatten bis wir wieder Abschied nehmen wollten, entschlossen wir uns noch einen etwas ausserhalb liegenden Park zu besuchen. Der stellte sich allerdings eher als Ruhestaette fuer die aermere Bevoelkerungsschicht heraus (Ben: Nein, die haben sich wirklich nur ausgeruht... glauben wir zumindest). Was uns aber nicht davon abhielt uns ein schattiges Plaetzchen zu suchen und mit Bens neuer Gitarre und Vladans wassauchimmer-Punjabi-Bhangra- Instrument die umherstreunenden Hunde zu verscheuchen (Ben: In Wirklichkeit hat Vladan sie angelockt und ich sie dann gekonnt verscheucht).
Als kroenenden Abschluss leisteten wir uns meine erste Horsecart-Rickshaw zum Busbahnhof. Ein wahnsinnig wackeliges aber auch lustiges Erlebnis, da man mit dem Ruecken zum Fahrer sass und so sehen konnte was hinter einem so passiert. ... Moment, in den meisten Faellen will man das eigentlich gar nicht sehen. ;) War trotzdem lustig!
Nach 4h im Punjab Roadways Bus mit permanenter Sikh-Musik*-Beschallung erreichten wir muede aber muede Chandigarh (Ben: Oh Gott, war die Musik schrecklich, ich haette beinahe geweint...). Und auch wenn nicht alles so toll war, Amritsar ist einen Besuch wert! Bis zum naechsten Mal Golden Temple!
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Fussnote:
* bingelingbingbing...bingbingelingbingbingOOOOOOM, usw., etc., pp.